Anna Rieser / Premiere IN DEN ALPEN // APRÉS LES ALPES / Volkstheater Wien


von Elfriede Jelinek und Fiston Mwanza Mujila
Premiere am 17. Februar 2023 / weitere Termine

mit Nick Romeo Reimann, Julia Franz Richter, Anna Rieser, Uwe Rohbeck, Christoph Schüchner, Stefan Suske

Regie Claudia Bossard
Bühne Elisabeth Weiss
Kostüm Mona Ulrich
Video und Sound Annalene Fröhlich
Dramaturgie Jennifer Weiss

„Ich glaube, die Heimat hat uns fallengelassen, wie so viele andre auch. Wieso wären wir sonst hier?“ Elfriede Jelinek, IN DEN ALPEN

“Was passiert mit den Alpen, wenn der Schnee geschmolzen und der Tourismus am Ende ist? Dieser Frage widmet sich Fiston Mwanza Mujila in seinem Stück "Après les Alpes", das er in Folge der Auseinandersetzung mit Elfriede Jelineks 2002 uraufgeführtem Kaprun-Stück "In den Alpen" für das Volkstheater verfasst hat. Claudia Bossard hat die beiden nicht leicht zu greifenden Texte zu einem dystopischen Doppelabend verwoben, der am Freitag heftig akklamiert wurde

Es ist eine Art Zwischenwelt, in der einige der 155 Opfer der Gletscherbahnkatastrophe aus dem Jahr 2000 gefangen sind: In einer abgewrackten Talstation sinnieren sie über die Sinnlosigkeit ihres grauenvollen Todes, ihre vergebenen Möglichkeiten in der Zukunft und die Arglosigkeit, mit der sich Tausende Menschen tagein tagaus auf die heimischen Gipfel kutschieren lassen. Die riesige Glaswand gibt im Hintergrund den Blick auf einen glitzernden, um sich selbst kreisenden Meteor frei, der dem Setting eine weitere abstrakte Ebene verleiht (Bühne: Elisabeth Weiss).

Während einem kleinen Buben klar wird, dass aus seiner Familie nur der bei den Großeltern verbliebene kleine Bruder überleben wird, spuckt ein Gepäckband immer weitere Heizlüfter aus. Einem solchen wurde im Prozess, bei dem damals alle 16 Angeklagten freigesprochen wurden, schließlich die alleinige Schuld an der Katastrophe gegeben. 2020 schrieb Jelinek den Text "Die Maschine ist unschuldig!", den Bossard in das Stück eingewebt hat und den Anna Rieser mit Inbrunst vorträgt. Bereits in den Ursprungstext eingearbeitet hatte Jelinek Paul Celans "Gespräch im Gebirg", womit sie auf den Ausschluss von Juden aus den Alpenvereinen und Hütten während des Nationalsozialismus Bezug nahm.

Während die Erzählung über Massentourismus und das österreichische Phänomen der Leugnung von Verantwortung sprachlich immer buntere Blüten treibt, entfernen die Bühnenarbeiter immer mehr Teile der Kulisse, bis nur mehr die nackte Bühne übrig bleibt und nahtlos zu Mujilas (etwas kürzerem) Text übergeleitet wird. Im Zentrum steht mit Julia Franz Richter die exaltierte Frau Gartner und ihr Nachnutzungsprojekt für die mittlerweile touristenfreien Alpen. Warum sollen die Menschen nur im globalen Süden in den Minen schuften? Schließlich erweisen sich die Alpen laut ihren Forschungen als wahres Rohstoff-Wunder, mit dem Verkauf der Berge sei das große Geld zu machen. Als Kompensation bietet sie der schockierten Bevölkerung die Nachbildung des Großglockners in Städten wie Wien, Linz und Graz an, was einem passionierten Nachkommen einer Skilehrer-Dynastie (Nick Romeo Reimann) die letzten Nerven kostet. An Frau Gartners Seite kämpft Uwe Rohbeck als eines ihrer 32 Kinder für die Idee der umgekehrten Kolonialisierung.” (Text Salzburger Nachrichten)


„Die Alpen haben lange Zeit dazu beigetragen, unsere Vorstellungswelt zu schaffen. Sie aufzulösen bedeutet, tausende von Jahren Geschichte zu verlieren.“ Fiston Mwanza Mujila, APRÈS LES ALPES