Kristina Bangert in “Der letzte Fall” - Landkrimi aus Vorarlberg, zu sehen am Dienstag 7. 1. 2020 auf ORF 1 (20.15 Uhr)


Ermitteln in einem eingeschneiten Vorarlberger Hotel: Karl Markovics als Wiener Kommissar und Stefan Pohl als wenig gelehriger Assistent in "Das letzte Problem". Eingeschneit. Völlig abgeschnitten von der Umwelt. In einem Hotel, in dem weder das Festnetz noch Handys funktionieren. In Zeiten, in denen verlässlich als Erstes der WLAN-Code an der Rezeption erfragt wird, würde dies genügen, um die Nerven von Urlaubern ordentlich zu reizen.Im Fall von Das letzte Problem, dem jüngsten Landkrimi aus Vorarlberg, zu sehen am Dienstag 7.1.2020 auf ORF 1 (20.15 Uhr), verschärft natürlich bald ein Mord die Situation. Spätestens dann gefriert kurz das Lächeln der Hoteldirektorin, die zuvor das Ansinnen der Gäste auf Preisabschläge routiniert abgewehrt hat: "Solange man saunieren kann, ist das kein Notfall." Todeszimmer allerdings sind bekanntlich auch Gift fürs Geschäft.
Dass just in diesem Moment ein Ermittler aus den Reihen der Gäste vorstellig wird, trifft sich daher nicht schlecht. Die anfängliche Skepsis schmilzt. Kommissar Jonas Horak (Karl Markovics) aus Wien und sein Assistent Freitag (Stefan Pohl) gehen ans Werk.
Nicht nur treffsichere Beobachtungen zum spannungsvollen Verhältnis von Gast und Gastgeber machen den Mehrwert aus, den Regisseur und Hauptdarsteller Markovics und Schriftsteller Daniel Kehlmann mit seinem ersten Originaldrehbuch kriminalistischen Standardsituationen abgewinnen.
Neben der Spur
Wer vermutet, dass ein Kriminalfall an einem abgeschlossenen Ort für ein großes Finale prädestiniert ist, wie es aus den Krimis Agatha Christies hinlänglich bekannt ist, liegt damit nicht falsch. Aber auch nicht ganz richtig. Der Landkrimi Das letzte Problem steuert wiederholt das Offensichtliche an, um dann mit Gewinn neben der Spur zu fahren.
Das beginnt beim Wiener Kommissar Horak, der nicht nur wegen seines Schnauzbartes an Christies belgischen Privatdetektiv Hercule Poirot erinnert. Sein nicht von Selbstzweifeln angekränkeltes Ego bekommt jene Vorarlberger Inspektorin (grundsympathisch: Julia Koch) zu spüren, die es als Einzige inmitten des Schneetreibens doch noch vom Tal ins Hotel schafft. Horaks Gehilfe Freitag, ein bemerkenswert ungelehriger "Watson", schafft es indessen, in uns alte Prüfungsängste hochsteigen zu lassen.
Zum Lernen gibt es in Das letzte Problem manches. Über das Sehspektrum der Goldfische etwa. Auch ein stimmiges Psychogramm der Schizophrenie wird uns nähergebracht. Vor allem aber werden die Selbstbilder, zu denen sich manche Figuren, vor allem die männlichen, gerne aufblasen, mit großem Vergnügen zum Platzen gebracht. Dass keiner der vielen unterschiedlichen Typen, die im Hotel Edelweiss versammelt sind, jemals zur Karikatur verkommt, verdankt sich nicht zuletzt einem famosen Ensemble, das seine Figuren auch in der Lächerlichkeit noch ernst nimmt.
Komische Highlights
Sunnyi Melles liefert als lustige Witwe ein komisches Highlight, Maria Fliri bewahrt als Hoteldirektorin selbst dann noch eisern ihre Contenance, wenn einzelne Gäste längst ins Plastiksackerl atmen. Dass selbst der Wiener Kommissar trotz aller Überheblichkeit unsere Empathie gewinnt, zeugt vom Nuancenreichtum des Schauspielers Markovics, aber auch des Regisseurs. In seiner vierten Filmregie zieht er zusammen mit Autor Kehlmann alle Register, ohne dass das Ergebnis jemals zwanghaft originell wirkt.Wer sich Menschen im Hotel zuwendet, leidet an Referenzen keinen Mangel, begonnen bei Vicki Baums gleichnamigem, mehrmals verfilmtem Roman. An das Overlook-Hotel aus Stephen Kings The Shining darf ebenso gedacht werden wie Wes Andersons Grand Budapest Hotel, nicht zu vergessen Jessica Hausners Thriller Hotel. Auch Spuren des magischen Realismus, der dem Schriftsteller Daniel Kehlmann (Die Vermessung der Welt) und Sohn des Regisseurs Michael Kehlmann gerne attestiert wird, ließen sich in Das letzte Problem ausmachen. Notwendig sind diese Bezüge nicht.
Was als klassisches "Whodunit" beginnt, überzeugt bis zum Schluss, oft dem schwächsten Punkt von Krimikonstruktionen. Charles Trenets Chanson La Mer wird man nach diesem Gustostück unter den Landkrimis jedenfalls künftig mit ganz anderen Ohren hören. So viel darf verraten werden. Chapeau!
(DER STANDARD, Karl Gedlicka, 6.1.2020)