Lorena Emmi Mayer / Vor Sonnenaufgang / Landes-theater Linz


Theaterstück von Ewald Palmetshofer nach Gerhart Hauptmann
Premiere am 18.02.2023 / weitere Termine unter landestheater-linz.at

mit Lutz Zeidler, Gunda Schanderer,  Lorena Emmi Mayer, Angela Waidmann, Julian Sigl, Alexander Julian Meile, Benedikt Steiner

Inszenierung Stephan Suschke
Bühne Momme Röhrbein
Kostüme Angelika Rieck
Musik Joachim Werner
Dramaturgie Martin Mader
Fotos Herwig Prammer

“Bei der Unternehmerfamilie Krause laufen die Geschäfte gut, nur das Familienglück lässt auf sich warten. Depression und Alkoholismus behalten im stattlichen Anwesen auf dem Land von Generation zu Generation die Oberhand. Auf der Kammerspielbühne des Linzer Landestheaters umhüllt flächendeckendes Schwarz das auf drei Tage anberaumte Geschehen aus Ewald Palmetshofers Drama Vor Sonnenaufgang wie ein Trauerflor. Das mit Treppen, Glasfronten und Terrassen gesegnete Luxusdomizil (Bühne: Momme Röhrbein) lässt sich bei der Premiere am Samstag von allen Seiten besehen und gibt doch kein Geheimnis preis.

Die auf Gerhart Hauptmanns gleichnamigem Stück basierende, 2017 in Basel uraufgeführte und seither viel gespielte Tragödie des oberösterreichischen Dramatikers rückt den Schwerpunkt von privater Pein hin zum gesellschaftlichen Unbehagen, das die beiden Antagonisten Thomas und Alfred stellvertretend ausagieren. Eine Männerfreundschaft, die über gesellschaftspolitischen Fragen zerbröselte.

Politische Gräben

Die Ansichten der einstigen Studienfreunde sind weit auseinandergedriftet. Thomas, Krause-Schwiegersohn und Firmenboss (Julian Sigl), agitiert mit verschwörerischen Phrasen gegen "die da oben", gegen ein "System", das ihm Gesetze vorschreibt. Er würde gerne alles im Alleingang und zum Nutzen seiner Firma machen, und sieht dabei nicht, dass er das alles inklusive Bildung nur dank des "Systems" erlangen konnte. Das führt ihm der überraschend zu Besuch kommende, ehemalige Zimmergenosse Alfred (Alexander Julian Meile) vor Augen, heute Journalist eines linksliberalen Blattes, das Fehlern hinterherrecherchiert und sie nicht ohne Eigennutz der Öffentlichkeit überlässt.

"Im Dorf von meinen Eltern grüßt man sich seit neuestem nicht mehr, wenn man politisch anderer Gesinnung ist – seit dieser Krise", heißt es im Stück. Bemerkenswerterweise entstand der Text deutlich vor der Pandemie, politische Gräben haben also auch ohne Virus seit jeher Relevanz und Bestand.

Flüche ohne Genierer

Die Inszenierung des Linzer Schauspielchefs Stephan Suschke bohrt sich mit jeder weiteren Drehbewegung weiter in die Düsternis dieser Leute. Dabei lässt er die Derbheit dieser sich qua Reichtum als etwas Besseres wähnenden Familie immer wieder durchschlagen, sie sind aggressiv und scheuen keine "Fucking"-Flüche.

Seniorchef Eugen (Lutz Zeidler) geht jeden Abend "mit der Unterschicht" saufen, seine zweite Ehefrau (Gunda Schanderer) kriegt mehrmals täglich die Stiefmutterrolle um die Ohren gehauen. Martha, die ältere Tochter (Angela Waidmann), selbst schwanger, hat für alles und jeden nur Kratzbürstigkeit übrig. Die jüngere, Helene (Lorena Emmi Mayer), ging mit ihrem Grafikbüro in der Stadt bankrott und weilt nun unfreiwillig und augenrollend im Elternhaus.

Woher aber kommt das Unglück? Der Linzer Lesart nach vorwiegend daher, dass jeder und jede nur auf sich selbst schaut. Langer Applaus.” (Margarete Affenzeller, 20.2.2023, DerStandard)