PERSONA NON GRATA / Kinostart am 26. Januar 2024


von Antonin Svoboda
MIT Gerti Drassl, Maya Unger, Katja Lechthaler, Lukas Miko, Helene Stupnicki, Patricia Hirschbichler u.v.m
DRAMA | AUT | 2024




Als der Mann der ehemaligen Skirennläuferin Andrea (Gerti Drassl) überraschend stirbt, zerfällt das stabile Lebensgefüge, alte Gespenster tauchen wieder auf. Ganz stimmt es nämlich nicht, was die Skifahrer-Dynastie-Eltern Andrea noch immer vorhalten: „Hingeschmissen hat sie!“
Denn bevor die junge Skifahrerin (Österreichische Meisterin 1975!) ihre Karriere beendete, ist noch etwas anderes passiert. Und dann kam die Ehe, die Tochter, die Jahzzehnte mit der eigenen Ski-Schule.
Nach Erichs Tod ist es still. Ein übergriffiger Nachbar wird für Andrea zum Trigger. Als sie zur Polizei geht, findet sie keine Hilfe. Aber nach einem Zusammenbruch hat sie Zeit, in aller Ruhe nachzudenken.
Weingartner geht in sich, und dann macht sie etwas, das sie noch nie gemacht hat: Sie ruft in der Redaktion einer Tageszeitung an. Kommt mit einem Redakteur (Lukas Miko) ins Gespräch. Und dann packt sie aus. Ruhig, besonnen und mit großer Präzision schil- dert sie, wie sie als junge Skifahrerin vergewaltigt wurde. In klaren Worten umreißt sie ein ganzes System von Machtmissbrauch und sexualisierter Gewalt an den Skischulen. „Es war ein Bonus-System: Es gab Bonuspunkte für’s Zuschauen und für’s Mitmachen“. Nein, Weingartner macht sich damit keine Freundinnen, keine Freunde, auch ihre eigene Familie reagiert zuerst mit völligem Unverständnis. Der Gegenwind ist stark. Aber: Das hält sie aus. „Glatteis bin ich gewohnt“, sagt sie einmal im Fernsehen.
Die Dinge beim Namen zu nennen, den Mund aufzumachen, nicht weiter zu schweigen, die Behauptung „Es ist doch nichts passiert“ nicht länger unwidersprochen zu dulden, oder einen Verband, der sich selbst kontrolliert – das ist wichtig, für Andrea, aber auch für die ganze frühere Generationen und vor allem für die von heute. Irgendwann ver- steht das auch ihre Tochter Sara (Maya Unger). Die den Menschen nicht kennt, die Per- son, die ihre Mutter war, bevor sie eben ihre Mutter wurde. Und so wird Andreas Gang an die Öffentlichkeit zur Basis einer neuen Beziehung zwischen ihr und Sara. Österreich hatte kein „#metoo“? Oh, und wie!
Die ehemalige Skirennläuferin Nicola Werdenigg hat am 20. November 2017 in der Ta- geszeitung „Der Standard“ in einem Interview das System von Übergriffen von Trainern, Betreuern und Kollegen öffentlich gemacht. Der Fall schlug große Wellen, nicht nur in Österreich. Auch die vorgestrige Reaktion des Skiverbandes.
Der österreichische Regisseur Antonin Svoboda (SPIELE LEBEN, DER FALL WILHELM REICH), seit Jahren vor allem als Produzent tätig (u.a. AMOUR FOU, WES- TERN, QUO VADIS, AIDA?) nahm zehn Jahre nach einer Zufallsbegegnung mit Nicola Werdenigg ihren Fall zum Vorbild für seine fiktive und doch im Grunde genauso pas- sierte Spielfilmadaption.
Der Film versteht sich nicht als Biopic oder Autobiografie, sondern will anhand des Falls die Systematik von Machtmissbrauch und seiner Folgen im menschlichen Gefüge ganzer Generationen aufzuzeigen.


Fotos © coop99