Ruth Brauer Kvam / Orpheus in der Unterwelt / Volksoper Wien


Operette Orpheus in der Unterwelt
Von Jacques Offenbach
Spymonkey, d.i. (Toby Park und Aitor Basauri / Regie)
Alexander Joel (Dirigent) Mit:
Hedwig Ritter, Ruth Brauer-Kvam, Marco Di Sapia, Daniel Kluge, Timothy Fallon u.v.a.
Wh.: 25., 28. Jänner, 1., 5. 8. Feb. und weitere Termine

“An der Volksoper indessen funktioniert alles ideal. Weil sich das Spymonkey-Regieduo entschlossen hat, "Orpheus in der Unterwelt" nicht mit provinzieller Pseudoaktualität vollzustopfen, sondern im Wesentlichen, ja, auch das gibt es in einzelnen Glücksmomenten des Musiktheaters noch, so zu spielen, wie diese Operette geschrieben ist. Gerade die Figur Jacques Offenbachs erfinden die beiden dazu, der, auf der vergeblichen Suche nach seinem Denkmal, durch das Geschehen taumelt und dabei allen gehörig auf die Nerven geht - nur den Zuschauern nicht, die sich von Marcel Mohabs komödiantischer Leistung begeistert zeigen. Selten, dass in einem Opernhaus so laut gelacht wird.
Diese Regie ist einfach fulminant, voller Fantasie, die sich in Kleinigkeiten offenbart, voller skurriler Ideen und Gags, wie sie wahrscheinlich wirklich nur Komiker in britischer Benny-Hill- und Rowan-Atkinson-Tradition erfinden können. Und wie schön: Dem Stück wird nichts, absolut nichts dadurch angetan. Offenbachs "Orpheus" darf Offenbachs "Orpheus" bleiben, ein Musiktheater des Vergnügens, des Witzes, der augenzwinkernden Frivolität. Dazu hat Julian Crouch das intelligenteste Bühnenbild und die besten Kostüme geschaffen: Die Zweidimensionalität der Kulisse ist der rote Faden - das alles wirkt prächtig und trashy zugleich, bunt und detailfreudig bietet es dem Auge eine Achterbahnfahrt der Eindrücke. So, genau so, spielt man Operette: Rasant, unverstaubt, modern und bunt als grandioses Unterhaltungstheater auf hohem Niveau. Perfekt umgesetzte Partitur Und erst die musikalische Realisierung! Wie gesagt: Der "Orpheus" kann sich ziehen. Nicht aber, wenn Alexander Joel am Pult steht. Er treibt das glänzend disponierte Orchester vorwärts, die Posaunen dürfen sich bassmächtig aufplustern, die Holzbläser Lichter aufsetzen, die Streicher in ungeahnten Abtönungen schwelgen. So delikat und flott zugleich ist der "Orpheus" selten. Hedwig Ritter als Eurydike mit strahlender Höhe - das ist atemberaubend! Und eine echte Komödiantin ist sie! Wie überhaupt von allen glänzend gesungen und gespielt wird: Daniel Kluge als tenoral schmelzender Orpheus, Timothy Fallon, ein Pluto mit heldischem Metall in der Stimme als sein tenorales Gegenüber, Marco Di Sapia als machtloser Jupiter, der als Bariton und Fliege die beste Figur macht, Sebastian Matt als hinreißend jämmerlicher Hans Styx, der, am Lethewasser nuckelnd, größere Gedächtnislücken hat. Ruth Brauer-Kvam kräht die Öffentliche Meinung, dass es eine Freude ist! Überhaupt: Das ganze Ensemble ist bis in die kleinste Nebenrolle, bis in den von Roger Díaz-Cajamarca einstudierten Chor einfach perfekt. Und die Choreografie von Gail Skrela ist hinreißend, da kann das Wiener Staatsballett glänzen, sowohl als Schafe wie als Bacchanten beim Cancan. Der fährt mit Großer Trommel, Becken, Posaune und Unterwelts- um nicht zu sagen Höllentempo mächtig in die Beine und reißt dem Publikum einen Applaus aus den Händen, wie man ihn nicht alle Tage erlebt. Da hat ein Haus kollektiv Bravo geschrien. Und Offenbach hat sein Denkmal in Wien: nämlich diese Aufführung.”
Wiener Zeitung / Fotos Barbara Palfy